Geschichte der katholischen Kirche in Bad Liebenzell

Bad Liebenzell, die in einem der schönsten Täler des damals württembergischen Schwarzwaldes gelegene Gemeinde, hat ein hohes Alter und geht wohl ursprünglich auf eine klösterliche Niederlassung zurück, die vermutlich ein vom Kloster Hirsau abhängiges Frauenkloster war.

Der Ort war seit dem 12. Jahrhundert kirchlicher Mittelpunkt eines Siedlungsabschnittes des nördlichen Schwarzwaldes und erlangte durch die St. Blasius Kirche und die im 12./13. Jahrhundert erbaute Burg eine besondere Bedeutung als befestigter Platz. In einer Urkunde vom Jahre 1388 wird Liebenzell erstmals als Stadt genannt. Stadtherr war der
Markgraf von Baden.

Nachdem Liebenzell 1556 evangelisch geworden war, ließen sich dort erst im 19. Jahrhundert wieder einige Katholiken nieder. Wegen seiner warmen Heilquellen wurde Liebenzell seit Jahrhunderten als Bade- und Kurort besucht. Allmählich hat sich die Stadt zu einem der bedeutendsten Kurorte des württembergischen Schwarzwaldes entwickelt.

Der frühere Oberamtsbezirk Calw zählte im Jahre 1858 bei 25.401 Einwohnern nur 160 Katholiken. Von den 4.183 Einwohnern der Stadt Calw waren 47 katholisch. Sie gehörten zum Pfarrsprengel Weil der Stadt. Auf Antrag des Katholischen Stadtpfarramts Weil der Stadt vom 9. August 1863 wurde vom Bischöflichen Ordinariat in Rottenburg genehmigt, dass für die rund 100 Katholiken von Calw, Teinach, Hirsau und den benachbarten Orten 15 mal jährlich an Sonn- und Festtagen in Calw ein Gottesdienst gehalten werden dürfe. Von 1868 an wurde alle 14 Tage ein katholischer Gottesdienst in einem Raum des Rathauses, dann in der evangelischen Stadtpfarrkirche und schließlich in der städtischen Turnhalle in Calw gehalten.
Um den Bau einer katholischen Kirche in Calw zu ermöglichen, wurde 1881 ein Baufonds aufgelegt. 1884 bis 1886 wurde die Kirche erbaut und am 25. November 1886 von Bischof Dr. Wilhelm von Reiser geweiht. Im Oktober 1887 folgte die Errichtung der ständigen Katholischen Stadtpfarrverweserei Calw, die im August 1893 zur definitiven Stadtpfarrei erhoben wurde.

Der Bezirk der neuen Pfarrei war sehr ausgedehnt. Er umfasste die Markungen der meisten politischen Gemeinden des damaligen Oberamts Calw sowie einiger Gemeinden der früheren Oberämter Nagold und Neuenbürg. Seitdem war die Stadt Bad Liebenzell ein Außenort der Stadtpfarrei Calw.

Um den ortsansässigen Katholiken und den katholischen Kurgästen die gewünschte Gelegenheit zum Besuch eines Gottesdienstes zu geben, wurde vom Bischöflichen Ordinariat mit Erlass vom 26. Juli 1902 angeordnet, dass während der Saison (Juni bis September) jeweils montags ein Gottesdienst (Hl. Messe mit Predigt) in Bad Liebenzell gehalten wird. Zunächst standen für die Gottesdienste ein Saal im Gasthhof „Zum Adler“, dann in der evangelischen Pfarrkirche und nach dem 1. Weltkrieg zwei Zimmer im Parterre des Forstamtes zur Verfügung.

Bei dem wachsenden Besuch des Kurortes und der stetigen Zunahme der ortsansässigen Katholiken waren die Räume im Forstamt bald zu klein. Bestrebungen, einen Bauplatz für eine Kapelle zu erwerben, führten nicht zum Ziel. So waren die Katholiken in Bad Liebenzell erfreut, dass 1925 im Marienstift ein freundlicher Saal für die katholischen
Gottesdienste gemietet werden konnte.
1936 zählte Bad Liebenzell mit Unterreichenbach und den weiteren benachbarten Gemeinden zusammen rund 220 Katholiken. Durch die zahlreichen Kurgäste stieg die Zahl der Gottesdienstbesucher während des Sommers auf mehrere Hundert. Daher mussten die katholischen Sonntagsgottesdienste von 1952 an in das evangelische
Gemeindehaus verlegt werden.

Bei dieser Entwicklung wurde der Bau einer katholischen Kirche immer dringender, und im Februar 1954 konnte ein Apothekengebäude mit Garten und im folgenden Jahr ein angrenzender Grundstücksteil gekauft werden. Nun war ein günstig gelegener Bauplatz für eine katholische Kirche vorhanden.

Von der Katholischen Kirchengemeinde Calw wurde Architekt Alfons Leitl aus Rheydt/Nordrhein-Westfalen mit der Fertigung von Entwürfen für die Kirche in Bad Liebenzell beauftragt. Mit Erlass vom 6. April 1959 wurde die bischöfliche Genehmigung zur Ausführung des Baues erteilt. Im Frühjahr 1961 war die Kirche fertiggestellt, und am 4.
Juni 1961 konnte sie von Bischof Carl Joseph Leiprecht zu Ehren der heilige Lioba konsekriert werden.

Vom ersten in Bad Liebenzell nach der Reformation wieder gefeierten katholischen Gottesdienst im Jahre 1902 bis zur Konsekration der neuen Kirche im Jahre 1961 war es ein langer Weg. Umso größer war die Freude der jetzt auf rund 330 Seelen angewachsenen Filialgemeinde Bad Liebenzell, nun eine schöne Kirche zu besitzen. Auch
für die zahlreichen katholischen Kurgäste hatte sich ein dringender Wunsch erfüllt.

Neben Bad Liebenzell hatte sich auch die Gemeinde Hirsau zu einem bedeutenden Außenort des Calwer Pfarrbezirks entwickelt. Um für die Katholiken in Hirsau und die zahlreichen, den historischen Ort besuchenden Touristen einen Gottesdienstraum zu gewinnen, mietete die Katholische Kirchengemeinde Calw im Jahr 1954 das „übriggebliebene“ Kirchenschiff der St. Aureliuskirche zunächst für 30 Jahre vom Land Baden-Württemberg. Unter Einbezug bedeutender zeitgenössischer Künstler wurde ein faszinierender Kirchenraum geschaffen, der Altes mit Neuem verbindet. Sein Altar erhielt am 30. Oktober 1955 durch Bischof Carl Joseph Leiprecht die feierliche Weihe.

Mit der Wiederherstellung der St. Aureliuskirche in Hirsau und dem Bau der neuen Kirche St. Lioba in Bad Liebenzell hat sich Stadtpfarrer Rudolf Wagner aus Calw bleibende Verdienste erworben.

Um den Calwer Stadtpfarrer zu entlasten, wurde ihm im Herbst 1958 ein Expositur-Vikar für den Raum Hirsau-Bad Liebenzell zugeteilt. Im September 1962 wurde für dieses Gebiet in Bad Liebenzell eine Katholische Seelsorgestelle errichtet und mit einem Kuraten besetzt.

Der Bezirk der Katholischen Stadtpfarrei St. Josef in Calw umfasste zu diesem Zeitpunkt die Gemarkungen von 33 politischen Gemeinden des Kreises Calw und zählte insgesamt rund 3.600 Katholiken. Daher erschien es nur eine Frage der Zeit, bis Bad Liebenzell von der Mutterpfarrei in Calw getrennt und zu einer selbstständigen Gemeinde werden würde. Der Weg dorthin wird in der Chronik der Katholischen Kirchengemeinde Bad Liebenzell/Hirsau wie folgt geschildert:

„Aus praktischen und seelsorglichen Gründen ist es dringend geboten, den Seelsorgebezirk Bad Liebenzell vom Bezirk der Mutterpfarrei St. Josef in Calw abzutrennen und seine rund 1.000 Katholiken zu einer selbständigen Kirchengemeinde zusammenzuschließen. Hierzu wird dem Antrag des Kirchstiftungsrates Calw vom 2. Februar 1963 entsprechend in Bad Liebenzell die Katholische Stadtpfarrei St. Lioba/St. Aurelius errichtet…..“

Bis zum Jahr 2010 (dem Weggang von Pater Morand der die Geschicke der Pfarrei St. Lioba von 1997 an geleitet hat) hatte die Kirchengemeinde St. Lioba einen eigenen Pfarrer, der in enger Kooperation mit der Kirchengemeinde St. Josef in Calw seinen Dienst versah. In der Folgezeit entwickelte sich immer mehr die Seelsorgeeinheit aus beiden Pfarreien, die dann 2020 auch ganz offiziell im Dekanat als „Seelsorgeeinheit 2 Calw – Bad Liebenzell“ installiert wurde.