Zur Geschichte der Kirchengemeinde St. Josef in Calw

Am 23. April 1866 wird erstmals erwähnt, dass die Errichtung eines eigenen kath. Gottesdienstes in Calw „im Sinne der Sittlichkeit und Religiosität“ der zumeist italienischen Eisenbahnarbeiter dringend erwünscht wäre. Bereits drei Tage später besichtigt – dem Hinweis eines Eisenbahnarbeiters entsprechend – ein Vertreter der Katholiken den Rathaussaal in Calw, der für katholische Gottesdienste unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden soll. Es gehen dann doch noch einige Tage ins Land, bis am 25. Mai desselben Jahres der Wunsch noch einmal dringlicher formuliert wird. Es leben zu diesem Zeitpunkt – ohne Berücksichtigung der ital. Eisenbahnarbeiter – 70 Katholiken in Calw, dazu in der Umgebung noch eine große Anzahl von Schulkindern, die keinen Religionsunterricht erhalten. Daraufhin genehmigt der Gemeinderat der Stadt, dass der Rathaussaal als Gottesdienstraum genützt werden darf. Einmal im Monat, sowie an den 4 Hauptfesten soll ein Geistlicher aus Weil der Stadt hier einen Gottesdienst für die Katholiken zelebrieren. Der Fußmarsch für den Priester beträgt einfach zwischen 1,5 und 2 Stunden. Allerdings wird am 20. Juli 1866 wegen der politischen Verhältnisse und aus finanziellen Erwägungen heraus die Gottesdienstfeier vom Dekanat Stuttgart noch einmal zurückgestellt.

Im Dezember 1866 wird erneut ein Antrag eingereicht, wozu der königlich katholische Kirchenrat am 9. Januar 1867 in Stuttgart mitteilt: „Seine königliche Majestät genehmigt, dass vom 1.7.1867 an für 15 Gottesdienste im Jahr für 400 Gulden und verschiedene andere Kosten übernommen werden und zwar auf Kosten der Staatskasse“. Mit dieser Order im Rücken wird nun die Feier von Gottesdiensten vorangetrieben und am 7. Juli diesen Jahres ist es endlich soweit: Der erste Gottesdienst im Rathaussaal wird gefeiert – mit sage und schreibe knapp 500 Mitfeiernden!

Wegen der „sehr beträchtlichen Zahl der Eisenbahnarbeiter“ wird dann bereits im Oktober 1867 beantragt, jeden 2. Sonntag einen Gottesdienst zu feiern, was von Stuttgart auch sofort genehmigt wird, sogar samt Übernahme der Mehrkosten auf die Staatskasse. Nachdem der Rathaussaal aufgrund anderer Belegungen nicht mehr zur Verfügung steht, wird die Feier des Gottesdienstes in die ev. Stadtkirche verlegt. Allerdings kann es sich auch hier nur um eine Übergangslösung handeln. Deshalb gibt es im November 1868 erstmals Überlegungen, „für den Gottesdienst ein eigenes Lokal zu erstellen.“ Eine geeignete Baustätte soll gesucht werden.

Am 16. November 1868 stellt Stadtpfarrer Dorner von Weil der Stadt beim Bischöflichen Ordinariat in Rottenburg den Antrag zum Bau einer Kapelle in Calw, welche ausreichend für 100-200 Personen sein soll. Zunächst sollen dazu Hausgottesdienste abgehalten und Hauskollekten durchgeführt werden. Dass Rottenburg diesem Ansinnen positiv gegenübersteht kann man einem Brief entnehmen, den Stadtpfarrer Dorner im März 1869 nach Rottenburg schickt, in dem er sich im Namen der Calwer Katholiken für die Beweise der Fürsorge des Bischöflichen Ordinariates bedankt. Ein Jahr später – am 2. Juni 1870 – bittet Stadtpfarrer Dorner in Rottenburg um Erlaubnis, das Allerheiligste in Calw aufbewahren zu dürfen. Beim Bahnbau kommen häufig Unglücksfälle und Erkrankungen vor und so möchte er das Allerheiligste in der Nähe wissen. Die Sakristei der ev. Stadtkirche hält er dazu für gut geeignet. Im Jahre 1877 sind in Calw 205 Katholiken und im ganzen Oberamt Calw 372 Katholiken registriert. Sakramentenspendungen finden mangels eines gottesdienstlichen Raumes im Schulzimmer statt – 20 Religionsstunden werden im Jahr erteilt.

Nach 12 Jahren – am 13.11.1880 – kommt wieder Bewegung in die Überlegungen zum Bau einer Kapelle, denn die Handwerkerbank Calw macht die Absichtserklärung, 200 Mark für eine kath. Kapelle in Calw zur Verfügung zu stellen, allerdings mit der Einschränkung, dass bei Eigenbedarf das Geld zurückverlangt werden kann. Doch das war so etwas wie eine Initialzündung. Am 2.6.1881 betrugen die Kirchenbauspenden der Calwer Katholiken 600 Mark und 300 weitere Mark werden erwartet. Knapp drei Wochen später (20.6.1881) gewährt Bischof Hefele von Rottenburg den Calwer Katholiken 1.500 Mark. Am 14.2.1882 überweist die Zentrale des Ludwig-Missions-Vereins in München 2.000 Mark für den Kirchenbau in Calw und am 1.7. überweist die Zentralleitung der auswärtigen Missionen im französischen Lyon für den Kapellenbau in Calw 6.000 Franz. Franc – umgerechnet 4.848 Mark. Am 25. Juli 1882 beträgt die Anlage eines Kirchenbaufonds den stolzen Betrag von 16.257 Mark.

Am 26.7. wird deshalb beschlossen, sich auf die Bauplatzsuche für eine Kirche zu machen. Am 24. März 1883 wird von Oberamtsbaumeister Mayer aus Neuenbürg ein Kostenvoranschlag für eine Kirche in Calw erstellt – die von ihm veranschlagten Kosten belaufen sich auf 33.700 Mark.

Nachdem im Juni weitere 2000 Mark von Zentralstelle des Ludwig Missionsvereins München eingehen, wird am 2. Juli 1883 der Kauf eines Bauplatzes für die Kirche ins Auge gefasst. 12 Ar und 17 qm beträgt die Grundstücksfläche, die dazu in der Bahnhofstraße auserwählt und zum Preis von 1.500 Mark erworben wird. Architekt Julius Müller aus Schwäbisch Gmünd erstellt nun einen Bauplan der Kirche, welcher von Rottenburg genehmigt wird. Am Fest Kreuzerhöhung – am 14.9.1883 – genehmigt Rottenburg den Kauf des Bauplatzes von der Witwe Rieker und am 23. November 1883 wird die Baugenehmigung für den Kirchenbau in Calw erteilt.

Am 3.3.1884 beträgt der Spendenstand des Kirchenbaufonds 21.774 Mark. Grund für den Königlich Katholischen Kirchenrat in Stuttgart, am 13. Mai 1884 keinerlei Einwände mehr gegen die Kirchenbaupläne in Calw zu hegen. Nach verschiedenen Entwürfen werden am 20. Mai für die Erstellung der Kirche 30.000 Mark veranschlagt. Der Bau beginnt und wird 1886 fertiggestellt.

Im Oktober 1884 erfolgt in aller Stille die Grundsteinlegung für den Kirchenbau durch Stadtpfarrer Stein aus Weil der Stadt und im November 1885 ist das Äußere der Kirche fertiggestellt. Die Rohbaukosten belaufen sich auf 36.500 Mark (ursprünglich war der Plan bei 31.000 Mark). Eine kleine Glocke für den Dachreiter wird vom Fürsten von Zeil gestiftet.

Am 30.12.1885 erwählen die Calwer Katholiken den Heiligen Josef zum Patron ihrer Kirche, deren Konsekration am 25. November 1886 durch Weihbischof Wilhelm von Reiser festgesetzt wird. Die Gesamtausgaben für den Kirchenbau betragen – mit teilweiser Innenausstattung – 52.779 Mark.

Sicherlich kann man unumwunden festhalten: Eine Kirche in Calw wäre zum damaligen Zeitpunkt sicherlich nicht gebaut worden, wenn von den rund 7.000 Arbeitern, die beim Bau der Eisenbahnlinie von 1866 bis 1872 in dieser Region beschäftigt waren, nicht ein starkes Drittel ausländischer Herkunft gewesen wäre – und zwar vornehmlich aus Italien (rd. 2.000) sowie einige Schweizer, Franzosen und Jugoslawen.

Durch das Stadtarchiv Calw lässt sich festhalten: Die damaligen italienischen Arbeiter kamen vorwiegend aus den strukturschwachen Gebieten Norditaliens und waren allesamt ausgebildete Handwerker wie Maurer, Schmiede, Steinmetze, Forstarbeiter usw. Ihre Aufenthaltsdauer in Calw schwankte zwischen 6 Monaten und einem Jahr, wobei sich auch einige von ihnen in Calw niedergelassen und hier Familien gegründet haben. Lediglich die Familiennamen wie Andreata, Gallo, Dalcomo, Radaelli, Saccardi usw. zeugen auch heute noch von der ursprünglichen italienischen Herkunft.

Sicherlich ist es nicht übertrieben zu sagen, dass es genau dieser vielen katholisch geprägten Italiener zu verdanken ist, dass am 7.7.1867 die erste Eucharistiefeier seit der Reformation in Calw gefeiert werden konnte und sich ab diesem Zeitpunkt die Katholiken in Calw auch wieder mehr und mehr als Kirchengemeinde fühlen konnten.