Predigt zum 20. Sonntag im Jahreskreis (17.8.25)

L I: Jer 38, 4-6.8-10 / Ev: Lk 12, 49-53

Schwestern und Brüder!
Kein Evangelium ist von seinem Inhalt her einfach. Aber das eben gehörte kratzt schon auf den ersten Blick an Wunden, die jede und jeder von uns hat. Und weshalb? Weil es schmerzt, wenn man auf die Zwietracht im eigenen Haus oder der eigenen Familie angesprochen wird, wie es uns der zweite Teil des Evangeliums suggeriert. Es schmerzt sogar ganz enorm, wenn der Generationenkonflikt in seiner ganzen Bandbreite Vater/Sohn, Mutter/Tochter auf die Tagesordnung kommt. Und vielleicht sagen Sie sich jetzt in Gedanken: Und genau das wird mir jetzt auch noch im Gottesdienst zugemutet. Doch gibt es auch nur eine Familie, die ohne diese Spannungen lebt?

Gerade deshalb sollten wir über das heutige Evangelium erleichtert sein. Denn wir entdecken dabei, dass der Friedensbote Gottes, als den wir Jesus kennen, so viel Realist ist, dass er unsere menschlichen Konflikte kennt; dass er sie anspricht, ja dass er sie für so normal hält, dass er gar nicht erst versucht, sie unter den sprichwörtlichen „Teppich“ zu kehren. Schließlich leben wir alle nicht im Paradies, auch nicht in den Sommerferien. Und: Jesus benützt diese menschlichen Konfliktfelder, um uns etwas auf Gott hin zu verdeutlichen. Denn im Kern seiner Botschaft geht es gar nicht um irgendwelche Generationenkonflikte, sondern um Entscheidungssituationen. Um Situationen, die Widerspruch hervorrufen, weil eine Entscheidung für etwas ja immer auch eine Entscheidung gegen etwas beinhaltet.

So begegnet uns in diesem Evangelium ein streitbarer, ein leidenschaftlicher Jesus, der vielleicht gar nicht in das Bild passt, das wir von ihm haben. Aber leidenschaftlich war er eben immer dann, wenn es um die Sache Gottes ging. Das war seine Passion und diese wurde zu seinem persönlichen Kreuzweg, zur Leidenschaft die Leiden schafft, weil er dafür sogar bereit war, sein Leben zu geben. Genau deshalb kann Jesus aber auch sagen – und der Evangelist Matthäus überliefert uns das noch wesentlich schärfer: „Ich bin nicht gekommen Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Gemeint ist aber nicht das Schwert, das tötet, sondern das Schwert der Entscheidung. Jesus will keinen faulen Frieden dergestalt, dass jede und jeder nach seiner oder ihrer Fasson selig werden soll, sondern die klare Entscheidung: Hier das Ja für Gott – dort das Nein zu allem, was diesem Gott und seiner Botschaft widerspricht.

Der indische Jesuit und Buchautor Anthony de Mello hat diese Leidenschaft in einem Gerichtsdialog mal so ins Wort gebracht:

„Angeklagter“, sagte der Großinquisitor, „Ihnen wird vorgeworfen, Menschen ermutigt zu haben, Gesetze, Traditionen und Regeln unserer heiligen Religion zu brechen. Was haben sie dazu zu sagen?“ – „Ich bekenne mich schuldig, euer Ehren.“

„Sie werden beschuldigt, des Öfteren in Gesellschaft von Ketzern, Prostituierten, gemeinen Sündern, wucherischen Steuereinnehmern, den kolonialen Eroberern unseres Volkes, kurz gesagt – dem Abschaum der Gesellschaft gesehen worden zu sein. Was sagen sie dazu?“ – „Ich bekenne mich schuldig, euer Ehren.“

„Man wirft ihnen außerdem vor, öffentlich jene kritisiert zu haben, die in der Kirche Gottes an oberste Stelle gesetzt wurden. Was sagen sie dazu?“ – „Schuldig, euer Ehren.“ – „Und schließlich sind sie angeklagt, die heiligen Lehrsätze unseres Glaubens revidieren, korrigieren und in Frage stellen zu wollen. Was sagen sie dazu?“ – „Ich bekenne mich schuldig, euer Ehren.“ –
„Wie heißen sie, Gefangener?“ – „Jesus von Nazareth, euer Ehren.“

De Mello macht deutlich, ein Jesus als guter Hirte, als Heiland der Kranken und Freund der Kinder ist uns allen natürlich weitaus sympathischer, als ein Jesus, der als Brandstifter auftritt. Ein Brandstifter hantiert ja mit „Brandsätzen“. Und genau das hat Jesus im übertragenen Sinne immer wieder getan. Seine „Brand-Sätze“ waren Aussagen, die die Gemüter erhitzen, die „anfeuern“ und die etwas bewegen wollen. Lassen Sie mich das anhand von ein paar Beispielen deutlich machen:

Wenn Jesus sagt: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein.“ Wenn Jesus dies sagt, dann kämpft er mit einem solchen Brand-Satz gegen eine bloß äußerliche Erfüllung der göttlichen Gebote und für eine größere Gerechtigkeit, die hinter allen Geboten nach dem Willen Gottes fragt. Oder wenn er sagt: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat“, dann protestiert Jesus mit einem solchen Brand-Satz gegen all jene kleinlichen Gesetze, die den Menschen unfrei machen, statt ihm Leben in Fülle zu ermöglichen.

Mit dem Brand-Satz: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“, provoziert Jesus diejenigen, die stets nur ihren eigenen Vorteil suchen und nicht teilen wollen und mit der Aussage: „Ihr wisst, dass die Mächtigen ihre Macht missbrauchen. Bei euch aber soll der Größte von euch der Diener aller sein“, da kritisiert Jesus die Einflussreichen in Gesellschaft und Kirche bis auf den heutigen Tag und definiert menschliche Größe und Wertschätzung in einer ganz neuen Art und Weise.

Brand-Sätze dieser Art gibt es bei Jesus zuhauf. Brand-Sätze gegen die doppelte Moral der Frommen und gegen die Unglaubwürdigkeit der Glaubenshüter. Brand-Sätze gegen die Autoritäten der jüdischen Religion, die in den Augen Jesu um Kleinigkeiten streiten und die entscheidenden Grundhaltungen vernachlässigen. Ein Brand-Satz, der auch ohne großes Nachdenken auf so manches Fehlverhalten in unserer Kirche von heute zutrifft.

Seine Sätze enthalten also immensen Zündstoff. Die einen sind Feuer und Flamme, wenn sie sie hören – andere kochen vor Wut. Die einen lassen sich von seiner zündenden Botschaft anstecken – während andere zurückweichen und sich nicht die Finger verbrennen wollen. Jesus weiß um die Wirkung seiner Worte; weiß, dass sie eine Entscheidung verlangen. Und genau dieses Polarisierende erfährt er auch in der eigenen Familie. Diese klagt ihn an: „Er ist von Sinnen.“ Und Freunde äußern sich dahingehend: „Was er sagt, ist unerträglich.“ Andere aber fangen Feuer, lassen sich begeistern, gehen mit ihm. Wie sagte der große Theologe Hans Urs von Balthasar: „Der Fall, dass jemand Christus wirklich begegnet und nicht anbetet und nachfolgt oder eben Steine aufliest, ein solcher Fall ist im Evangelium nicht vorgesehen.“

Entweder anbeten und nachfolgen oder Steine werfen bzw. sich abwenden – das ist die Entscheidung, die alle treffen müssen, die mit Jesus und seiner Botschaft in Berührung kommen. Dass wir uns für die Nachfolge und das Anbeten entschieden haben, entnehme ich jetzt mal unserer aller Anwesenheit bei diesem Gottesdienst. Wir sind da, weil wir uns der Botschaft Jesu aussetzen wollen, auch der Brand-Sätze, die sie enthält. Und trotzdem habe ich manchmal den Eindruck, dass wir uns – und da schließe ich mich ganz bewusst mit ein – immer noch zu oft als „Feuer-Löscher“ dieser Sätze betätigen; dass wir uns viel zu oft mit einem „Christsein auf Sparflamme“ zufriedengeben; dass wir uns zu schnell mit einem faulen Frieden anfreunden und ganz gerne nach unserer je eigenen Fasson selig werden möchten.

Es ist ja auch nicht einfach, mit den Ideen und Anliegen des Brandstifters Jesu durchs Leben zu gehen und seine Fackel dabei so durchs Gedränge zu tragen, dass dabei niemandem der Bart versengt wird – höchstens nur der eigene. Ich wünsche uns auf jeden Fall, dass es uns wenigstens ab und an gelingt, Feuer im Sinne Jesu zu legen, auch wenn der Funke nicht unbedingt auf andere überspringt. Aber ein Versuch ist es immer wieder wert, denn Feuerlöscher gegen die Botschaft Jesu gibt es schon zu viele – auch in unseren eigenen Reihen.

Bertram Bolz, Diakon und Pfarrbeauftragter St. Josef, Calw