Predigt am Fronleichnamsfest

Predigt am Fronleichnamsfest 2023 (08.06.)

L II: 1 Kor 10, 16-17/ Ev.: Joh 6, 51-58

Liebe Freundinnen und Freunde aus Gabiano, liebe Schwestern und Brüder aus den Gemeinden unserer Seelsorgeeinheit, liebe evangelische Mitchristen!

Fragt die kleine Svenja: „Du Mama, hast du schon gehört? Die Katholiken gehen am Donnerstag demonstrieren. Kleben die sich dann auch auf die Straße?“ So oder ähnlich könnte heutzutage wohl die unbedarfte Frage eines Kindes lauten. Aber Katholiken kleben sich heute nicht auf die Straße, sondern sie bekennen sich öffentlich zu dem, was sie glauben. Und dieser Glaube meint: in den Zeichen der Eucharistie – in Brot und Wein – ist Christus selbst in unserer Mitte gegenwärtig. Und weil er nicht nur an unserem religiösen, sondern an unserem gesamten Leben Anteil hat, demonstrieren – also zeigen wir dies – in einer Prozession. Ja, eine Prozession ist nichts anderes als eine Demonstration unseres Glaubens. Sie heißt nur anders, damit man den religiösen vom säkularen Bereich unterscheiden kann.

Mir scheint dies immer mal wieder wichtig zu sein, dass man solche Traditionen und Gepflogenheiten nicht nur gegenüber Kindern erklärt, sondern dass auch wir Erwachsene uns immer wieder ins Bewusstsein rufen, was wir da miteinander feiern. Wissen Sie z.B. noch woher der Inbegriff für Zauberei – nämlich der Spruch „Hokuspokus“ – kommt? Manche Zeitgenossen sagen ja, dass das, was wir hier heute tun und feiern, so ein „Hokuspokus“ sei. Und wenn man es genau nimmt, dann haben die damit gar nicht so unrecht. Denn die ursprüngliche Wurzel dieses Begriffes „Hokuspokus“ geht ja zurück auf die lateinischen Wandlungsworte „Hoc est enim corpus meus“ – „Das ist mein Leib“. Weil aber die meisten Menschen früher kein Latein kannten und weil Kirchenkritiker daraus oft auch eine Verballhornung machten, wurde aus diesem „Hoc est corpus“ ein „Hokuspokus“.

Erschwerend kam natürlich hinzu, dass vielen Gläubigen im Mittelalter die Wandlungsworte als das zaubermächtigste Wort überhaupt galten. Und war es nicht auch tatsächlich so? Hatte man mit diesem mächtigen Wort nicht sogar Macht über Gott selbst? Schließlich konnte man mit dieser Formel ja machen, dass sich Brot in Gott verwandelt. Wenn das mal nicht der Inbegriff allen Zauberns ist! Doch wenn ich jetzt so in Ihre Gesichter schaue, dann spüre ich deutlich: es sträubt sich in uns etwas beim Hören solcher Gedanken. Wie kann man hinter den Wandlungsworten, hinter den Zeichen der Eucharistie auch nur im Entferntesten eine Zauberei vermuten…

Was also ist es, was uns diesen Tag und dieses Fest feiern lässt? Die Eucharistie steht ja dabei im Mittelpunkt und sie ist die Feier unseres Glaubens. Das heißt: Gott schenkt uns seine Gegenwart, er ist immer und überall bei uns. Wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, da ist er mitten unter ihnen, so sagt es Jesus selbst. Und dann schenkt er uns das Zeichen der Eucharistie, damit wir diese Gegenwart, die ja unsichtbar und manchmal auch wenig erfahrbar und spürbar für uns ist, damit wir diese Gegenwart doch quasi hautnah erleben können. Die Eucharistie ist also ein Geschenk Gottes aus dem Glauben heraus an uns – aber keinesfalls Zauberei. 

Allerdings möchte dieses Geschenk Gottes an uns auch etwas bewirken. Und da bekommt jetzt das Wort der Wandlung noch einmal einen anderen Sinn. Denn das Sakrament der Eucharistie will unser innerstes Wesen auch verändern, will uns verwandeln – damit wir Christus ähnlich werden. Nicht in Äußerlichkeiten wohlgemerkt, sondern in einer inneren Haltung, die dann natürlich auch nach außen wirkt. Ich will es mal mit Beispielen so beschreiben: einem, dem manchmal leicht der Geduldsfaden reißt, der soll so verwandelt werden, dass er langmütiger wird. Der Perfektionist, den die Fehler anderer aufregen, könnte so verwandelt werden, dass er etwas mehr Verständnis für die anderen aufbringt. Der, der mitunter leicht reizbar ist, wird vielleicht etwas milder. Allerdings könnte vielleicht auch sein, dass jemand, der furchtbar harmoniebedürftig ist und deshalb am liebsten jeden Konflikt unter den sprichwörtlichen Teppich kehrt ein wenig mutiger wird im Aushalten oder gar Angehen von solchen Konflikten – ein wenig eben wie jener Jesus, der damals die Händler aus dem Tempel trieb.

Was nun aber all diesen unterschiedlichen Gedanken zugrunde liegt ist: Wir sollten uns dahingehend verwandeln lassen, dass wir alle sensibler und feinfühliger für die Nöte und Sorgen der anderen werden. Denn das ist auch das, was mich an Jesus am meisten fasziniert: seine tiefe Empfindsamkeit, mit der er spürt, was Menschen bedrückt und er ihnen zugleich auf eine ungemein liebevolle Art begegnet, ohne sie dabei bloßzustellen. Wenn wir uns aber so in die Haltung Jesu verwandeln, dann bin ich mir sicher, würde in uns auch die so oft bohrende Angst wegfallen, die uns da immer wieder eintrichtert: Du kommst zu kurz in diesem Leben. Nein, Neid und Eifersüchteleien auf andere, die ja oft nur einem mangelnden Selbstwertgefühl entspringen, spielen dann keine Rolle mehr. Und weshalb? Weil wir uns von Gott geliebt und angenommen wüssten, so wie wir sind, und wir würden dann einen Halt und eine innere Freiheit finden uns für andere einzusetzen – und zwar ohne die Frage: Was habe ich denn davon? Wer denkt denn mal an mich?

Das heutige Fest macht unmissverständlich klar – auch in seinen Gebetstexten – dass es genau darum geht: Jesus so zu verinnerlichen, dass wir zu neuen Menschen werden. Wie sagt Jesus: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm.“ Oder wie es Augustinus dann treffend ausformuliert: „Empfangt, was ihr seid, damit ihr werdet, was ihr sein sollt: Leib Christi!“

Es geht also in jeder Eucharistiefeier darum, sich selbst wandeln und verwandeln zu lassen. Wir alle, die wir uns um ein christliches Leben bemühen, wissen wie schwer es ist, sich oft gegen die eigenen Macken und Fehler zur Wehr zu setzen. Und die Eucharistie ist ja nun eben kein Zaubertrank, der uns – einmal empfangen – auf magische Weise verändert und zu anderen Menschen macht. Nein, wir müssen es schon wollen, sonst funktioniert es nicht. Andererseits gilt aber auch und das sollte uns allen bewusst sein: Wer den Leib und das Blut Christi empfängt und innerlich gar nicht bereit ist, sich zu ändern; wer Tag für Tag zur Kommunion geht und sich dabei sagt: „Ich bin halt, wie ich bin; sollen die anderen schauen, dass sie mit mir klarkommen!“, derjenige hat nicht verstanden, was er da empfängt. Kommunion hat mit Wandlung zu tun und wer zur Kommunion geht und sich eben nicht auf diese Wandlung einlässt, der tut dies unwürdig. Für mich ist die Frage nach einem würdigen Empfang der Eucharistie nicht an äußere Formen gebunden – also z.B. ob wir Christus nun mit dem Mund oder der Hand empfangen – nein, würdig empfängt Christus nur, wer die innere Einstellung und Bereitschaft mit sich bringt, sich durch dieses Mahl verwandeln zu lassen.

Spüren wir Schwestern und Brüder, welche Kraft von der Eucharistie ausgeht? Erkennen wir, dass dieses Mahl die Kraft hat, die Welt zu verwandeln und zu ändern? Sicherlich: Die Verwandlung beginnt bei mir, bei jedem einzelnen Menschen. Aber wenn wir zu Menschen im Sinne Jesu werden und als solche in dieser Welt wirken, dann wird sich das Angesicht dieser Welt verändern – daran glaube ich und darauf vertraue ich.

Erinnern Sie sich noch an die kleine Svenja zu Beginn? Vielleicht können wir ihr alle durch unser Tun in unserem Leben glaubhaft versichern, dass Fronleichnam nicht das Fest ist, an dem Katholiken sich auf die Straße kleben, sondern an dem – und ich sage das ganz bewusst ohne konfessionelle Einschränkungen und Grenzen – Christen sich enger an Jesus Christus binden, weil sie sich von ihm verwandeln lassen möchten. Dazu stehen wir – auch in aller Öffentlichkeit. Amen.

Bertram Bolz, Diakon / Pastoralbeauftragter der Kirchengemeinde St. Josef Calw